Nach 27 Jahren in der Aidshilfe Hamburg, geht der Dipl. Sozialpädagoge Michael Rack in den Ruhestand. Oder vielleicht eher in Rente, denn "Ruhe" ist auch zukünftig sicher nicht seins. Zum Abschied ein kleiner Rückblick und die Frage, was denn jetzt alles anders wird. 

Wie war die Situation für Menschen mit HIV, als Du angefangen hast? 

Erst einmal war es örtlich eine ganz andere Ecke. Ich habe noch in der Paul-Roosen-Strasse auf dem Kiez angefangen, weil da die Büros waren. Über einem Aldi. Das war damals schon auch eine spezielle Ecke. Aber in dieser Zeit gab es einen Wendepunkt für Menschen mit HIV. Nach so vielen Jahren, voller Hoffnungslosigkeit und permanenten Rückschlägen in Therapieansätzen, gab es plötzlich HAART. Das war eine hochaktive antiretrovirale Therapie, die das Leben vieler HIV-positiver Menschen grundlegend verändern sollte

Was war da los? 

Diese Kombinationstherapie unterdrückte die Viruslast effektiv und führte nach und nach zu einem drastischen Rückgang der Sterblichkeitsrate, weil das Immunsystem durch HAART die Möglichkeit bekam, sich “zu erholen”. Nach anfänglicher Skepsis gab es Hoffnung. Auch die AIDS-definierenden Erkrankungen liessen nach. Das Kaposi-Sarkom zum Beispiel, eine Krebsart, die überall am Körper auftauchen konnte und das sichtbarste Zeichen der Infektion war, wurde weniger. Allerdings war die Behandlung nicht einfach. Die Medikamente gingen oft mit starken Nebenwirkungen einher, und die strikten Einnahmepläne stellten eine hohe Belastung dar. Wir sprechen hier nicht von ein, zwei Tabletten, die eingenommen werden mussten, sondern von “händeweise Tabletten”. Helga, die Ärztin bei uns in der Aidshilfe hat mit den Klient*innen in speziellen Sprechstunden die Tabletteneinnahme “geübt”. 

Und dann war alles gut? 

Weit weg davon. Trotz der medizinischen Fortschritte blieb die gesellschaftliche Stigmatisierung ein großes Problem. HIV-positive Menschen wurden weiterhin diskriminiert, ob im Arbeitsleben, in der medizinischen Versorgung, im Alltag, oder in den LGBT Communities. Das Schlimme ist, dass die Diskriminierungen bis heute andauern. Ein Skandal eigentlich. Das darf niemals einfach Schulterzuckend hingenommen werden. 

In den Folgejahren gab es , gute und weniger gute Kampagnen. Die Guten haben im Laufe der Zeit zu einer Sensibilisierung der Gesellschaft und den Communities beigetragen. Das war sehr wichtig. Ich war jetzt nie so der Fan von den “Gemüse mit Gummi”-Plakaten, aber am Ende haben die Motive sicher einen großen Anteil daran, die Relevanz von SaferSex zu kommunizieren. Dazu die vielfältige strukturelle-Präventionsarbeit der Aidshilfen, die Selbsthilfegruppen, die Ehrenamtlichen und das Engagement der zahllosen Aktivist*innen. Es gibt schon Vieles auf das wir als Bürgerbewegung Aidshilfe Stolz sein können. 

Woran erinnerst Du Dich besonders gerne? 

Wie viel Zeit hast Du? Da kommen in fast dreissig Jahren eine Menge Momente zusammen. War es immer schön? Nein. Da waren auch Zeiten dabei, die richtig Scheisse waren. Ich habe alles an Emotionen gefühlt, die Mensch fühlen kann. Glück, Trauer Zuversicht, Verzweiflung. Die ständige Unterfinanzierungen und das Theater mit der Behörde und diese ständigen Stellenreduzierungen. Ätzend. Aber in all den unzähligen Beratungen, die ich machen durfte, waren auch so viele schöne Momente. Die Augenblicke, wenn Du Menschen ihre Ängste nehmen kannst, wenn Du an der Lösung von wirklich verzwickten Problemem helfen kannst. Das ist toll. Und überhaupt, die Begegnungen mit Menschen. Aus medizinischer Sicht waren es sicher so Meilensteine wie UequalsU / N=N und die PrEP, die echte Gamechanger waren und sind. Was ich eher weniger vermissen werde, sind diese “kann ich mich über eine Türklinke mit HIV infizieren”-Telefonate. 

Und nun? Was planst Du im Ruhestand? 

Also, tatsächlich hoffe ich darauf, eine sehr lange Zeit des Unruhestandes zu haben. Musik hören, Musik machen. Konzerte und Ballett. Reisen und Freunde. Da freue ich mich sehr drauf. Und wenn ich Euch mal vermisse, dann weiss ich ja, wo und wie ich Euch finden kann. 

Wir wünschen Dir eine tolle Zeit, lieber Michael. Und komm vorbei, wann immer Du möchtest !

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