Nach 32 Jahren geht Annette Biskamp in den Ruhestand. Eine schöne Gelegenheit für ein Interview mit dem Geschäftsführer Jörg Korell, über vergangene Zeit(en), Putzpläne in der Gemeinschaftsküche, Italien und der Tatsache, dass Annette eine große Lücke hinterlassen wird. 

CG: Moin Jörg. Vielen Dank für den gemeinsamen Kaffee und die Möglichkeit, mehr als 30 Jahre Revue passieren zu lassen. 

JK: Sehr gerne. In dieser Zeit ist wirklich viel auf die Beine gestellt worden. 

CG: Gut. Worüber wir hier nicht sprechen ist die Qualität unseres Filterkaffees, die vermutlich seit den 90ern lausig ist. Und was wir auch weglassen ist "Annettes Küche". 

JK: Darüber verlieren wir kein Wort ! Ist aber trotzdem ein guter Einstieg, weil Annette viele Jahre lang die treibende Kraft unseres Regenbogencafés gewesen ist. Die  Arbeit des ehrenamtlichen Café-Teams, die Ausgestaltung der Angebote und ihre Anpassungen an die Veränderungen der Zeit, dass all die Aktionen und Aktivitäten ganz deutlich Annettes Handschrift tragen. Egal ob das seinerzeit das Frühstück war, gut besucht von vielen Stammgästen, später die Kantine, jahrelang als begleiteter Mittagstisch mit einem treuen Stamm ehrenamtlicher Mitarbeiter*innen, verschiedene Freizeitangebote und eine unendliche Zahl an Sonderveranstaltungen und Außenaktivitäten. Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass das in dieser Form jemals wieder möglich sein wird.

CG: Annette hat 1990 in der Aidshilfe Hamburg angefangen. Du dann 10 Jahre später. Welche Dinge verbinden Euch? 

JK: Ich habe ja vorher auch schon in Aidshilfe Kontexten gearbeitet, bevor ich in Hamburg begonnen habe. Was Annette, mich und auch alle anderen Kolleg*innen und Aktivist*innen miteinander verbindet, ist diese wirklich "wilde" Zeit, die sich junge Menschen heute kaum mehr vorstellen könen. Annette stand vom ersten Tag an, in bewegten und bewegenen Zeiten, parteilich für Menschen ein und hat vielerlei Veränderungen mitgestaltet. Sie hat Menschen beraten und begleitet und das unter Voraussetzungen, in denen es weder Therapie noch wirksame Behandlung der HIV-Infektion gab. Annette hat unendlich viele Personen kennengelernt und unterstützt, die ohne ihren  Rat und auch ihren Beistand das Leben mit einer HIV-Infektion oder Aidserkrankung nicht hätten gestalten können. 

CG: Und in welchem Arbeitsbereich. 

JK: Die Aidshilfe Hamburg war die erste – oder eine der ersten – die in Deutschland HIV-positive Frauen als Zielgruppe begriffen haben. Das ist Annettes Werk !  Mit unendlicher Ausdauer und einem gerüttelten Maß an Renitenz hat sie gezeigt, wie wichtig Vernetzung und Lobbyarbeit für diese Gruppe ist, die ja nach wie vor eine der  zahlenmäßig kleinen Gruppe der Menschen mit HIV darstellt. Ob da nun die nordhessische Dickköpfigkeit eine Rolle spielte..who knows. Fest steht, dass Dank Annettes Einsatzes in der Selbstorganistation positiver Frauen über die Jahre endlos viel passiert ist, dass wir in Hamburg ein professionelles Netzwerk haben, auf das wir mit Recht stolz sind, und dass die Frauenarbeit auf der Bundesebene eine feste Größe ist. Das ist echt toll.

CG: Wie würdest Du Annette als Kollegin beschreiben. 

JK: Inspiriert und vernetzt. Sie hat immer  "gezogen und geschoben" . Auch im Team der Hauptamtlichen. Sie ist immer wieder initiativ geworden, nicht nur bei neuen Projekten, sondern auch im Zusammenspiel im Kollegium hat Annette immer wieder die Initiative ergriffen. Kleine Geschichte am Rande: Sie war es, die sich jahrelang darum bemüht hat, dass es bei uns so etwas wie eine Geburtstagskultur gibt. 

CG: Und nun wird Annette viel Zeit mit Pasta und gutem Wein in den kleinen Küstendörfern Italiens verbringen. Neidisch ? 

JK: Soll ich lügen? Natürlich ! Du weisst doch, dass ich selber schon oft in Italien war und das Land, die Leute und den Wein sehr liebe. Aber ich kann auch gönnen. Und daher wünsche ich Annette das Aller- Allerbeste für Ihren Ruhestand...der sicherlich alles andere als ruhig sein wird. Hier bei uns werden wir sie allerdings tatsächlich vermissen. 

CG: Ein schönes Schlusswort, dem ich mich gerne anschliesse: Annette, wir werden Dich vermissen :*

Möchtest Du Dich von Annette verabschieden?  Annette.Biskamp@aidshilfe-hamburg.de

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